strukturell-funktionale Theorie

strukturell-funktionale Theorie
strukturẹll-funktionale Theorie,
 
Theoriemodell der Soziologie über Struktur und Funktion sozialer Systeme. Im Anschluss an H. Spencer, É. Durkheim und M. Weber und in der Aufnahme von Grundannahmen der Psychoanalyse und des kulturanthropologischen Funktionalismus (B. Malinowski, A. R. Radcliffe-Brown) in den 1930er- und 1940er-Jahren von T. Parsons und R. K. Merton entwickelt, wurde die strukturell-funktionale Theorie bis zur Weiterentwicklung durch N. Luhmann in den 1970er-Jahren (Systemtheorie) prägend für die moderne westliche Soziologie: In einem universalen Zuschnitt geht es darum, den Gesamtzusammenhang einer Gesellschaft als ein Zusammenspiel von Handlungen in unterschiedlichen Teilsystemen zu erfassen, hierbei sind das Gesamtsystem wie die Teilsysteme (biologisches System des Organismus, Persönlichkeitssystem, soziales und kulturelles System) bestrebt, die vier in Parsons' AGIL-Schema genannten Zielsetzungen (Anpassung an Systemumwelt, Zielfestlegung, Integration, Strukturerhaltung) zu verwirklichen. Im Zentrum der Theorie steht die Frage, in welcher Weise die Handlungen der sozialen Akteure (Individuen, Gruppen, Institutionen) sich als zweckmäßig (funktional) im Zusammenhang der Erhaltung der von den jeweiligen Teilsystemen und der Gesamtgesellschaft ausgebildeten Strukturen erweisen können. Parsons verbindet in dieser Gesellschaftstheorie biologische, psychologische, soziologische, ökonomische und politische Gesichtspunkte und Motivationen menschlichen Sozialverhaltens, um Gesellschaften als Ganze und in einzelnen Teilbereichen als Handlungsfelder zweckgerichteter Aktionen zu bestimmen. Zentrale Vermittlungsleistungen werden dadurch gewährleistet, dass die sozialen Gruppen bestimmte Rollenbilder formulieren, die den Einzelnen v. a. durch gesellschaftliche Institutionen (Familie, Schulen, Religionsgemeinschaften) und mithilfe sozialer Kontrolle und Sanktionen nahe gebracht werden. Die strukturell-funktionale Theorie hat nachhaltig auf die weitere Entwicklung der Familien- und Rollensoziologie, der Sozialisationstheorie und der Modernisierungstheorie gewirkt. Stand für Parsons das Ziel der Stabilisierung des Gesamtsystems an oberster Stelle, so untersuchte Merton auch die Probleme bei einem möglichen Auseinanderfallen von kulturellen, sozialen und individuellen Zielsetzungen (Anomie). Ob es dagegen möglich ist, mit den Kategorien des Gleichgewichts, der Integration, der Konfliktvermeidung und Stabilisierung v. a. die Probleme des sozialen Wandels und der Ausübung von Herrschaft angemessen anzugehen, hat zu einer Debatte über die Grenzen und Leistungsfähigkeit der strukturell-funktionalen Theorie geführt.
 
 
T. Parsons: Das System moderner Gesellschaften (a. d. Amerikan., 1972, Nachdr. 1996);
 T. Parsons: Zur Theorie sozialer Systeme (a. d. Amerikan., 1976);
 T. Parsons: u. E. A. Shils: Toward a general theory of action (Cambridge, Mass., 71976);
 R. Münch: Theorie des Handelns (Neuausg. 1988);
 R. K. Merton: Soziolog. Theorie u. soziale Struktur (a. d. Amerikan., 1995).

Universal-Lexikon. 2012.

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